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„Die Wahrheit ist ein unvergleichlich starker Widerstandspunkt gegen das Wirkliche. Eine Prüfung mit Testcharakter. Sie zwingt die Wirklichkeit, ihr Innerstes nach Außen zu kehren.“ (AD) Die abwehrende Elastizität meines Gedächtnisses, auf der das Buch herumhüpft wie auf einem Trampolin. Es sinkt nicht ein. Mehr Zeit. Es muss mehr Zeit hinein. „Aus dem Nichts mit nichts anfangen, wenn alles andere schon gesagt ist.“ (AD) Trinkkaraffe, Friedhofsvase. „Der Autor schreibt einsam, der Leser liest einsam. Die Verbindung zum Leser stellt nicht der Autor, sondern das vom Verlag verlegte und vom Buchhandel verkaufte Buch. Ein Gegenstand. Ein Ding. Eine Sache.“ (HT) Das Erwachsene, aus psychoanalytischer Sicht. Eine Geste des Selbstgehorsams, der uns zum Neinsagen befähigt. „Ich sage ihr, dass die Griechen zwischen zwei Arten des Begehrens unterscheiden: zwischen dem Begehren, eine Entscheidung zu treffen, und dem Begehren als Begierde.“ (AD) Ein so dünnbesiedeltes Land. Gesundheit und Kühe. Steife, pralle Gliedmaßen. Proper. Die Geduld zu sein. Neubewertung der Abhängigkeit. „Liebe ist eine Kunst der Abhängigkeit. Sie setzt also ein Wagnis voraus.“ (AD) „Das ähnelt dem Ratschlag eines Tischtennisprofis: Hinlaufen, nicht hinstrecken.“ (AC) „Also die Liste, die die Welt in einem neuen Gefüge von Linien, Bewegungen und Farben neu zusammensetzt.“ Die Liste als Maschine zur Rauscherzeugung. „Unter den erstarrten Augen des Lesers marschieren Fragmente auf, die aus allen möglichen Ordnungen eines zuvor zerschlagenen Realen entlehnt werden – wobei der einzige Faden, um das Gewand des Harlekins zu nähen, ein immer abstrakteres Konzept ist, ein Wort, das soviel verschiedene Bedeutungen wie möglich haben soll.“ (JP) Auf Kosten der Blutsbande: „was uns zu Menschen macht: Menschen, die von den Szenarien einer unvordenklichen Vergangenheit befreit sind.“ (AD) Handelsreisende und Laienreisende treffen im Sommer vermehrt aufeinander. Skepsis kommt auf beiden Seiten auf. „Die Traurigkeit lindert das, was sie schärft.“ – „Wir sollten verstehen, dass die Traurigkeit eine heimliche Doppelgängerin der Glückseligkeit ist; dass die Ausdehnung des Seins, zu der sie uns animiert, uns an eine andere Möglichkeit des Mit-sich-selbst- und des In-der-Welt-Seins erinnert, offen für alles Kommende.“ (AD) „Mit Trauer kann man die Zeit beliebig verändern, nur das Bewusstsein des Glücks lässt sich nicht verändern, es hat seine eigene unbarmherzige Kürze.“ (JF) Leichter Niesel. Ist hier alles aus Holz? Vier Grad kälter und Regen, morgen noch mehr. Milde untätige Orgien, bei denen gar nichts geschieht. Die Abwehr der Begründung. „Es gibt kein Warum.“ (AD) – „Letzten Endes besteht das Spiel darin, eine instabile Kombination zu präsentieren, die ständig davon bedroht ist, zu explodieren, und die immer wieder allein von der Virtuosität des Listenmachers zusammengehalten wird.“ (JP) „Es gilt, dem Kind zu sagen, dass es keine Entschädigung erlangen wird, zumindest nicht in der entsprechenden Höhe, ja womöglich überhaupt nicht.“ (AD) „Umgekehrt fliegende Enten.“ (JP) Die vorausschreitende Zeit, die nur dann als Befreiung zu verstehen war, als man der Arbeit die Struktur überließ. Es soll aber so nicht länger sein. „Was ist denn das für Arbeit, wo das Werkzeug zugleich der Werkstoff ist?“ (AC) „No one wants to hear what it is about. They want to hear what it is like. You know how the song goes. So you better play it. What use is talking?“ (JV) „Was wir bei einer Analyse möglicherweise verlieren, ist nicht einmal der vermeintliche Sinn der Dinge, sondern das ‚Warum‘, der imaginäre Grund für unsere Klage und die ihr zugrundeliegende Ungerechtigkeit.“ Die Leere, die Bindungen ermöglicht. Eros = Ein Wirkung des Wirklichen. „Herr Ober, Herr nächtlicher Baum.“ (PW) Der Berg ist leer. Kein Mensch zu sehen. Der Kreuzweg der Passionsblume, die in meiner Küche wochenlang nicht gegossen wird. „Kawara bedeutet ‚steiniges Feld bei einem Fluss‘ und bezeichnet den Lebensraum der Prachtnelke: nasse, gelegentlich trockenfallende Ufer.“(ST) Bitte verlassen Sie den Wagen 2. In Wagen zwei herrscht Lebensgefahr. Das Hirschgehege. Der komplett uffjedrehte Taxler, warum? „Es gibt kein Warum.“ (AD) „Die glühenden Gefühle der Leuchtkäfer am Bach, wenn es auch ewiger Sommer ist, wollen wir zum Leuchtfeuer der Weisheit wandeln und, ohne dass es bei dem Felder teilenden Taifun ein Erlöschen gäbe, die Prozession des so-gegangenen Erleuchtungskönig begleiten, die Blauregen-Hosenröcke des Mitgefühls und Gleichmuts anlegen, unseren Geist auf den Lotossitz der oberen Klassen richten und die mit den sieben Schätzen geschmückte Holzsäule erreichen.“ (SE) Es kamen vier Rotkehlchen und haben ihn rasiert. Daher der Name. „Vergessen ist ein Verb.“ (AD)

 

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… der schlaudumme Dämon des Leibes – ein ungezähmter Naturgeist – Erfinder von Musik Sprache Tanz Feuerstelle Feuerstein Opfer Tabak – weder Vater noch Mutter – er schleift etwas Langes, nicht Geheures hinter sich her, weiß aber nicht, was es ist – Tage sind Jahre – Monate sind Tage – narrt die Menschen so, wie ihre heimlichen, verbotenen Wünsche sie narren – wo er hinkommt bricht Panik aus – Er begeht Handlungen die so widernatürlich sind dass selbst die Tiere ihn verlassen – der Fuchs und der Häher und der Niß rannten alle davon – maßlos, zuchtlos aber zugleich noch ganz unschuldig – kein Geist von Griechenland her – Waschbärkinder – Verspottung der Menschengesellschaft – wohltätiger Narr – narrhafter Mäzen – Schwitzen Spucken Rülpsen – durch Nachahmung dem Lachen überantwortet – das Boot anbrüllen: aus eigener Kraft kannst du dich nicht bewegen und kannst nichts bewegen – zertrümmert das Boot wirft das magische Kriegsbündel und die Waffen fort – ein Es mit dem Ehrennamen Ich – arbeitet nicht, aber macht Erfindungen – den Tieren mimetisch ihr Geheimnis abgeluchst – fragt die Tiere und Pflanzen nach dem Weg und erfindet dabei die Sprache wegen der Namen – im Dahinschlendern nannte er alle Dinge der Welt bei ihrem Namen – er trägt ein Elchgeweih – vor allem sein Penis hat eine völlig selbständige Existenz und ist so lang dass er ihn in einem Kasten auf dem Rücken mit sich herumtragen muss – er will alle Gefährten loswerden – es gelingt ihm nicht oder nur halb – wandert weiter immer weiter ….

(Nach Elisabeth Lenk: Der Schelm oder die anarchische Struktur des Unbewussten)

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„Um es herum riss schon das riesige, menschenleere Patagonien sein Maul auf. Aber es ließ sich nicht einschüchtern. Es rückte vor, gab Gas, als wüsste es, wohin es fuhr, oder als führe es irgendwohin. Oder als führe es nirgendwohin. Es war das Kompassnadel-Auto, die Sprudelwasserblase des Windes, der blaue Punkt des Himmels, das Geheimnis in all seinen Dimensionen. Ein Geheimnis nimmt keinen Raum ein, sagt der Volksmund. Einverstanden, aber es durchquert ihn.“ (César Aira: Die Schneiderin und der Wind, übersetzt von Christian Hansen)

… und wendet sich ab …

„Das Monströse an Frankenstein ist dann, dass er sich einfach kopfschüttelnd abwenden und ohne uns ins Nirwana gleiten könnte. Das Monströse wäre, dass er aufhörte, proletarisch – vom Konsum seiner eigenen Produktivität abgeschnitten – zu sein. Dass die Maschine sich besinnen und der Rekrutierung durch den kapitalistischen Menschen entziehen könnte.“  (Luise Meier: MRX Maschine.)

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„25. Juni. Bei dem Haupt des wissenschaftlichen Okkultismus, dem Direktor der Initiation eingeladen. Als der Doktor und ich in Marolles en Brie anlangen, werden wir von drei schlechten Nachrichten empfangen. Ein Wiesel hatte die Enten getötet, eine Magd war erkrankt, das dritte ist mir entfallen.“

„1. Juli. Ich erwarte irgendwo eine Eruption, ein Erdbeben, einen Blitzschlag. Nervös wie ein Pferd beim Nahen der Wölfe wittere ich die Gefahr, packe meine Koffer zur Flucht, ohne mich indessen noch zu ihr entschließen zu können.“

Strindberg: Inferno. Übersetzt von Christian Morgenstern. 1898 Berlin.

THERMODYNAMIK

2. Satz der Thermodynamik: „Es gibt keine periodisch arbeitende Maschine, die nichts weiteres leistet als die Abkühlung eines Körpers und das Anheben einer Last.“
Was alles in den japanischen Notizbüchern steht, wo ich hätte japanisch lernen sollen. Auch ein Slogan von T-Shirt wieder: APE GOOD ENOUGH UNDER COVER
Und andere rätselhafte Wichtigkeiten, wie:
„Zum Cellulitericotta hab ich nichts zu sagen. Irgendwann schreib ich dir von einem langen Satz, der schlaff und mikrig herumhängt und nichts sagt…“

Erkenne dich selbst, werde Brett

„Wir fragten uns, was das Wahre in der Kunst sei, und fanden, es müsse das Material sein, das durch die eignen Sinne und Nerven gezogen war. Doch wenn wir das Abwägen und Urteilen ganz auf uns bezogen, wenn wir sagten, es sei Bestandteil des Existierens und es müsse zu etwas Zusammenhängendem werden und unsere Selbständigkeit durchsetzen, dann empfanden wir wieder, wie an allen Bibliotheken, Museen und Wissenschaften unsere Maschinen, Werkzeuge und Stempeluhren, unsre gedrängt vollen Stuben hingen, und unter ausbrechendem Hohn, unter gegenseitigen Verspottungen sahn wir anstatt der Kontinuität und des erweiterten Blickfelds nur das Brett vor dem funktionslosen Kopf.“

Bin endlich durch die Untiefen der Pergamonaltarbeschreibung am Anfang von der „Ästhetik des Widerstands“ gekommen und siehe nur, was für eine Perle des Angelegenheits-Patchworks auf S. 227.

I Die Bienen

Rabbi Rafael von Berschad sprach: „Es heißt, die Hochmütigen werden als Bienen wiedergeboren. Denn der Hochmütige spricht in seinem Herzen: ‚Ich bin ein Schreiber, ich bin ein Singer, ich bin ein Lehrer.‘ Und weil von diesen gilt, was gesagt ist, dass sie noch an der Schwelle der Hölle nicht umkehren, werden sie nach dem Tode als Bienen wiedergeboren. Die summen und surren: ‚Ich bin, ich bin, ich bin!'“

Ergänzungen zu dem obigen Bericht: Von der Sonne

2
Die Sonne ist so groß, wie sie uns erscheint.

3
Die Sonne hat die Breite eines menschlichen Fußes.

4
Die Sonne ist neu an jedem Tage.*

5
Wenn es die Sonne nicht gäbe, dann wäre es wegen der anderen Gestirne Nacht.

6
Die Sonne sei eine vernunftbegabte Entzündung aus dem Meere.

7
Die Gestirne seien Verdichtungen von Feuer.

8
Die Gestirne ernährten sich von der Ausdünstung der Erde.

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* d. h. an jedem Morgen entzündet sich (aus den Ausdünstungen des Meeres) eine neue Sonne, da die alte, d. h. die des vergangenen Tages, bei ihrem Untergange wirklich erloschen ist, so Herakleitos von Ephesos.

Lu Hsün, Morgenblüten abends gepflückt, oder Wenn hinter Bremsenbremsen Bremsenbremsen Bremsen bremsen…

„Ich habe vergessen, wie ich in Erfahrung gebracht hatte, daß Dungfang Schuo* auch ein großer Gelehrter gewesen sei und ein Insekt mit dem Namen ‚Guai-dsai’** gekannt habe, eine Inkarnation des Geistes irgendeines zu unrecht Erschlagenen, das sich in Nichts auflöste, wenn man es in Wein tauchte. Ich war begierig, diese Geschichte in allen Einzelheiten zu hören, aber Mama Tschang konnte mir nicht weiterhelfen, schließlich war sie ja auch kein großer Gelehrter. Nun bot sich mir eine günstige Gelegenheit, ich konnte meinen Lehrer fragen.
‚Was ist das für ein Insekt, dieses „Guai-dsai“?‘ fragte ich schnell am Ende einer neuen Lektion, bevor ich entlassen war.
‚Das weiß ich nicht.‘ Er schien nicht sehr erfreut über meine Frage. Im Gegenteil, er blickte recht ärgerlich.
Ich schloss daraus, daß es sich für Schüler nicht geziemt, Fragen wie diese zu stellen; sie haben sich aufs Lernen zu konzentrieren.

* Ein als Witzbold bekannter Höfling und Berater (154-93 v.u.Z.) des Kaisers Wu Di aus der Han-Dynastie (Regierungszeit 140-87 v.u.Z.).

** ‚Guai-dsai‘ bedeutet ‚O wie seltsam‘ “

Ich sollte eigentlich schnurstracks nach Hause fahren und diese Textstelle posten, die Murasaki no Cigar und ich im Kaffeehaus soeben entdeckt hatten, begierig nach dem Witz Lu Hsüns sein Buch in der Mitte aufschlagend. Aber beim Bremsen fiel mir wieder dieser Geruch auf, und dass ich seit langem weiß, dass ich die Bremsklötze wechseln sollte, aber nie die Zeit nehme. Und das, obwohl ich schon länger sogar befürchte, dass sich das Metall in den Bremsklötzen drin schon meine Felgen aufschlitzt – eine zutiefst peinliche Sache. Also mache ich Halt bei Pank Rad, wo der Mechaniker – also ich bin in den ganzen Laden verliebt, seine Frisur, die Art wie er die Gangschaltungen sortiert und stapelt, wie alles organisiert ist, und er selbst in der Mitte, an unhypeigen nicht Hi-Tech ganz normal schönen Rennrädern schraubt. Er ist so trocken, lieb und kompetent wie der Kottan des Lukas Resetarits, im Overall. Alles super, er macht es gleich, kostet 10 Euro, in einer halben Stunde, ich kann warten oder spazierengehen. Die Freude an schneller Aktion und einfacher Kommunikation teilen wir, das Bügelschloss lege ich auf die Heizung. Aber nicht vergessen, warnt er.
Ich bin aber leider jemand, der sich in schlechter Gesellschaft angewöhnt hat, sich gedrückt zu fühlen, Nettigkeiten herauszupressen, und schwafle dummes Zeug. Das nervt ihn ein wenig. Und als ich nach zehn Minuten wiederkomme, um das vergessene Schloss zu holen, und ein bisschen lachen will über die Prophetie, ist er dazu nicht aufgelegt. „Ich habe es gesagt,“ meint er nur knapp und widmet sich wieder dem roten Rennrad in der Mitte des Raumes.
Und vor Scham schiebe ich mein Rad eine Weile die Pankstraße hinauf und verarbeite die Scham zum Vorsatz, mich etwas weniger unübersichtlich zu benehmen.

In die Liste der bestürzenden Ereignisse gehört auch der Moment, als gestern Abend in der Rumbalotte der lesende Tim Holland ein sprachliches Manöver machte, genau analog zu dem Satz mit den Bremsenbremsen, das ich als Kind austüftelte und von dem ich irgendwie durch Anerkennung Absolvenz begehrte. Denn ich spürte schon damals, es ist ein unglaublich nerviges Kunststück. Jetzt fällt mir aber das Wort nicht ein, mit dem Tim es machte.
Die Hybris, kanonische Blödeleien zu überbieten, steht keinem Schriftsteller gut an, nicht einmal als Kind. Leider war ich damals fern davon, das zu kapieren, und so fern war denn auch jede Linderung vom unangenehmen Gefühl des Forcierten. Und so habe ich mir das angewöhnt, das Forcierte.

… des Lichts beraubte Luft …

„Des Lichts beraubte Luft – nichts anderes ist, was wir Schatten nennen. Zwar wird nacheinander bestimmten Stellen am Boden Sonnenlicht genommen, überall dort nämlich, wo wir ihm mit unserer Bewegung den Weg verlegen, doch dann, indem wir weitergehen, wird die verlassene Stelle erneut mit Licht gefüllt. Es mag so aussehen, als folge uns auf Schritt und Tritt unverändert der gleiche Schatten, in Wahrheit aber fließen immer neue Strahlen dorthin, wo wir gerade waren, während die alten vergehen, als spinne man Wollfäden ins Feuer. So wird der Boden sowohl des Lichts beraubt wie von diesem erneut überflutet, die dunklen Schatten wie weggewaschen.“

Lukrez: Über die Natur der Dinge, übersetzt von Binder.

… Ich denke, das sind meine Fransen …

„Fünf oder sechs Tage danach war ich zum Abendessen beim König. [Sonnenkönig in Versailles] Bei den Desserts nahm ich in der Luft, über der Tafel, irgendetwas Großes, Massiges und irgendwie Dunkles wahr, das ich aufgrund der Geschwindigkeit, mit der dieses große Ding auf das Ende der Tafel fiel, nicht Zeit hatte zu erkennen oder darauf zu zeigen. [..] Der Lärm, den es machte, während es fiel, und das Gewicht dieses Dinges ließen einen denken, es würde den Tisch eindrücken, es ließ die Schüsseln klirren, aber ohne eine umzustoßen. [..] Der König wendete bei dem Schlag, den das tat, den Kopf halb zur Seite und sagte, ohne sich im geringsten zu erregen: ‚Ich denke, das sind meine Fransen.‘

Es war in der Tat ein Paket, größer als ein Priesterhut … Es von weit hinter mir gekommen [..] und eine Haarsträhne, die sich in der Luft gelöst hatte, war oben auf die Perücke des Königs gefallen. Livry, der zu seiner Linken saß, sah sie und entfernte sie. Er rückte ans Ende der Tafel und sah, dass es tatsächlich die zum Paket verschnürten Haarfransen waren […] Livry, der das Paket wegnehmen wollte, fand darauf ein angeheftetes Billet; er nahm es und ließ das Paket liegen […].

Folgende Worte, geschrieben in ungestalteter und langgezogener Schrift, wie von einer Frau, standen darauf: ‚Nimm diese Fransen zurück, Bontemps; die Mühe übersteigt das Vergnügen. Meine Handküsse an den König.‘ Es war zusammengerollt, aber nicht verschlossen. Der König wollte es aus den Händen D’Aquins nehmen, der sich zurücklehnte, es befühlte, rieb, hin und her drehte, es dann dem König zeigte, ohne es ihn anfassen zu lassen.

Der König befahl ihm, es laut vorzulesen, obwohl er gleichzeitig selbst las ‚Das ist‘, sagte der König, ‚etwas sehr Ungewöhnliches‘, aber in einem ganz gesammelten und gleichsam historischen Ton. Er befahl dann, das Paket zu entfernen. [..]

Von diesem Moment an sprach der König nicht mehr darüber und niemand wagte mehr, darüber zu reden, zumindest nicht laut; und der Rest des Abendessens verlief, als ob nichts geschehen wäre.“

Aus: Saint Simon, Mémoires, Bibliothèque des la Pléiade, Bd. 1. Seite 618 f.