„Fünf oder sechs Tage danach war ich zum Abendessen beim König. [Sonnenkönig in Versailles] Bei den Desserts nahm ich in der Luft, über der Tafel, irgendetwas Großes, Massiges und irgendwie Dunkles wahr, das ich aufgrund der Geschwindigkeit, mit der dieses große Ding auf das Ende der Tafel fiel, nicht Zeit hatte zu erkennen oder darauf zu zeigen. [..] Der Lärm, den es machte, während es fiel, und das Gewicht dieses Dinges ließen einen denken, es würde den Tisch eindrücken, es ließ die Schüsseln klirren, aber ohne eine umzustoßen. [..] Der König wendete bei dem Schlag, den das tat, den Kopf halb zur Seite und sagte, ohne sich im geringsten zu erregen: ‚Ich denke, das sind meine Fransen.‘
Es war in der Tat ein Paket, größer als ein Priesterhut … Es von weit hinter mir gekommen [..] und eine Haarsträhne, die sich in der Luft gelöst hatte, war oben auf die Perücke des Königs gefallen. Livry, der zu seiner Linken saß, sah sie und entfernte sie. Er rückte ans Ende der Tafel und sah, dass es tatsächlich die zum Paket verschnürten Haarfransen waren […] Livry, der das Paket wegnehmen wollte, fand darauf ein angeheftetes Billet; er nahm es und ließ das Paket liegen […].
Folgende Worte, geschrieben in ungestalteter und langgezogener Schrift, wie von einer Frau, standen darauf: ‚Nimm diese Fransen zurück, Bontemps; die Mühe übersteigt das Vergnügen. Meine Handküsse an den König.‘ Es war zusammengerollt, aber nicht verschlossen. Der König wollte es aus den Händen D’Aquins nehmen, der sich zurücklehnte, es befühlte, rieb, hin und her drehte, es dann dem König zeigte, ohne es ihn anfassen zu lassen.
Der König befahl ihm, es laut vorzulesen, obwohl er gleichzeitig selbst las ‚Das ist‘, sagte der König, ‚etwas sehr Ungewöhnliches‘, aber in einem ganz gesammelten und gleichsam historischen Ton. Er befahl dann, das Paket zu entfernen. [..]
Von diesem Moment an sprach der König nicht mehr darüber und niemand wagte mehr, darüber zu reden, zumindest nicht laut; und der Rest des Abendessens verlief, als ob nichts geschehen wäre.“
Aus: Saint Simon, Mémoires, Bibliothèque des la Pléiade, Bd. 1. Seite 618 f.