Ein Plakat pflückte mein verkatertes Auge, von der Innenseite der Tür einer Jugendherberge aus. The annoying thing, das Ding, das die Nerven blankreibt, entsprang, wie es schien, einer kommerziellen Unterhaltung, einem Animationszusammenhang. Es hatte einen Helm auf und ähnelte einem Frosch wie einem Cretin von Außerirdischen. Dass es eine elektrokindliche Stimme haben würde, ahnte ich Ausgeburt meiner Zeit.
Die Idee schien mir gut, das nervende Ding so herauszuheben und als lebendiges Wesen auszustatten, und ideal hing es in einem betrieblichen UND häuslichen Zusammenhang, wo die nervenden Dinge Anlass von Einklang und Fröhlichkeit bilden.
Nach der Netzrecherche war ich enttäuscht und gleichzeitig durcheinander. Im Videoclip, der diese Figur berühmt gemacht hat, befanden sich mehrere Themen messie-haft weniger kombiniert als zusammengestapelt, und ich hatte den Verdacht, dass gerade das für die scheinbare Popularität der Figur verantwortlich war. Man ist sich einig, dass sie absurd und dämlich ist. Der Reiz besteht in der Enttäuschung der Erwartung – vielleicht mehr faule Scheu als Sehnsucht – , dass es nichts zu durchschauen gibt. Wie die Erleichterung, die derjenige Glückspilz spüren würde, der einmal einen Pfannkuchen ohne Füllung geschenkt bekäme. Nichts Mysteriöses, kein Kern. Kein Drinnenbleiben und kein Ausschwappen, kein Thema, keine Überschrift, kein Inhalt, kein Ende des Inhalts, keine Form, dessen Beziehung zum Inhalt problematisiert werden könnte. Die Formlosigkeit ist klobig und daher nicht sofort offensichtlich. Es ist der pure guilty pleasure ohne guilt und ohne pleasure.
Da schnallte ich: Es geht um 3D!
Das erklärte alles.
es ist wohl so, wenn einer sagt: gibt mir den fensterplatz. ich muss bald sterben. dann hat er bemerkt, dass die zeit nur eine dimension hat, der raum dagegen viele. doch, da er nun die zeit verachtet, verachtet er auch alles, was zeit braucht. eine tägliche rasur, frauen, berge, regen, tage, nächte, kaffee, wind, sommer, licht.. bis nicht mal die kleinste veranschaulichung von geometrie übrig bleibt. und er stellt fest, das fenster kann ihm nichts mehr bieten. genauso wenig er dem fenster. dann hört er auf, sich zu bewegen und findet keinen gefallen mehr am atmen und hört auch auf, sich sinnlos auszudehnen.
es schrieb einmal jemand: das auffüllen einer gartengießkanne, das dauert etwa eine halbe minute – wozu braucht es dazu die zeit, könnte das nicht auch der raum unter sich ausmachen? ich kann die stelle nicht mehr finden. fand indes eine andere, in der es heißt, dass der raum kongruent sei mit den körpern, womit aber würde die zeit kongruieren? sicherlich nicht mit den körpern. „zeit ließe sich wegdenken. denkt man den raum weg, hört die welt auf; denkt man die zeit weg, bleibt ein starrer raum – so wie auch die oberfläche des mondes eine landschaft ist, eine landschaft ohne atmosphäre. schwerlich wird jemand den raum so paradox und gespenstig empfinden wie die zeit.“ (so müller, über die zeit)
sicherlich kennt der herr müller das tiefe, dunkle jugendzimmer meines bruders nicht, in dem ich in der vorletzten nacht, unter führung von k. lagerfeld auf eine unterweltreise durch schiffsbuge und ubahnschächte ging… als mein telefon klingelte, wusste ich partout nicht, wo ich war. das schwarze schien rot-blau-gestreift wie ein pulli, den man nicht mehr trägt oder eine kleiderabteilung im zweiten stock eines verlassenen kaufhaus.. in der nur breite blau-rote streifen übrig geblieben sind, vom ganzen nie gewesenen glanz einer ausgedachten atmosphäre ohne fenster, die vielleicht nie „schönheit“ sagte, aber „effizienz, es passt“, vielleicht sagte sie einmal auch (das war vor ihrer obsolenz): „kommt! kommt ihr matrosen der mode, hier werdet ihr euch kleiden ein!“ im finstern waren auch die streifen finster, dennoch waren sie breit, rot und blau. unsichtbar, weil geschwärzt. säulenimitat. rückwanddisplay. raumteiler.
doch ist nicht vielleicht „das jugendzimmer“ gerade die darstellung des zugriffs der gespensterzeit auf einen an sich harmlosen raum? gibt es harmlose räume? jederzeit? ei-dautt-itt. oder tiss.
Der Ton ist vielleicht kongruent mit der Zeit, jedenfalls lebe ich in Landschaften von Ton, wenn ich Musik höre (besonders diese unregelmäßige Seidentuchbizarrerie von Jahrhundertwende), die Augen schließe, gar in Halbschlaf hinüberreiche. Landschaften von Ton, Landschaften von Gedanken, die aufs Brennen warten, jahrhundertelang, das war vielleicht der Ursprung von Musik, als der Wind ZWISCHENZEITLICH über sie pfiff.